Bauen, Erhalten, Zerstören, Versiegeln

Architektur als Kunst in Goethes Wahlverwandtschaften

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Von Michael Mandelartz

Erschienen in: Zeitschrift für Deutsche Philologie, Bd. 118, 1999, S. 500-517 [PDF]

Gehe zu Abschnitt IIIIIIIVVVIAnmerkungen

I

Es ist oft bemerkt worden, die Wahlverwandtschaften seien einer der komplexesten Texte der deutschen Literatur. Goethes Verfahren der wiederholten Spiegelungen innerhalb und zwischen verschiedenen Motiv- und Handlungskomplexen macht den Versuch einer gültigen Gesamtinterpretation zu einem geradezu aussichtslosen Unterfangen. Im folgenden soll daher unter der Voraussetzung, daß jeder dieser Bereiche als ein in sich gegliedertes Ganzes analysiert werden kann, der Motivkomplex der Architektur aus dem Text herausgehoben werden. Dieses Verfahren hat gegenüber einer durchgehenden Interpretation des gesamten Textes den Vorteil, die virtuell unendlich sich fortsetzenden wiederholten Spiegelungen an einem begrenzten Bereich übersichtlich darstellen zu können.

Die fünf Bauten des Romans bieten sich aus mehreren Gründen für einen solchen Versuch an. Zunächst stellen sie in sich eine Vielfalt dar, deren internes Beziehungsgeflecht, verglichen mit dem gesamten Handlungsablauf, nur geringen Veränderungen in der Zeit unterliegt. Mit jedem Ereignis aber nimmt die Unschärfe der Interpretation dadurch zu, daß ihm Gründe unterschoben werden müssen, die in den meisten Fällen nicht dem Text selbst entnommen werden können. Die Baukörper des Textes ergeben dagegen eine mehr oder weniger statische Konstellation, deren Merkmale weitgehend am Text abgelesen werden können.1 Sodann werden alle Bauten hinreichend genau beschrieben, um ihr Verhältnis gegeneinander zu bestimmen. Wir werden also nur gelegentlich diesen Motivkomplex überschreiten müssen. Und nicht zuletzt spiegelt sich, wie wir sehen werden, in der Maurerrede und im Schlußbild der gesamte Aufbau des Romans.

II

Am 1. Juni 1809 schreibt Goethe an Zelter, er habe in die Wahlverwandtschaften viel hineingelegt, manches hinein versteckt. Möge auch Ihnen dies offenbare Geheimnis zur Freude gereichen.2 Nun entspricht der Grundstein zu dem neuen Lustgebäude (318 u.ö.) genau dieser Bestimmung. Die Grundsteinlegung findet in der Tiefe (331) statt, des Maurers Arbeit [... geschieht ...] zwar jetzt unter freiem Himmel, [...] wo nicht immer im Verborgnen doch zum Verborgnen (332). Hier haben wir ein offenbares Geheimnis ganz handgreiflich vor uns. Bedenken wir zudem, daß Gebäude überhaupt die nächste Analogie zur Komposition, zum Aufbau auch eines literarischen Werkes abgeben und insbesondere in die Wahlverwandtschaften der Architekt als einzig ernstzunehmende Künstlerfigur eingeführt wird, so werden wir die Grundsteinlegung und die Rede des Maurers als Reflexion über seinen Aufbau lesen.3

Niemand hat, so sagt der Maurer, mehr Grund als er (bzw. der Autor, nach unserer Hypothese), das was er tut sich selbst recht zu machen (332), denn nur er behält noch nach Fertigstellung des Hauses die Einsicht in seine Konstruktion, auch nachdem die Spur seiner Arbeit von den Detailarbeiten des Steinmetzen und Bildhauers (332) verdeckt worden ist. Wenn der Maurer im folgenden auf die Nachwelt (332, 333) Bezug nimmt, so wird hier neben dieser produktions- auch die rezeptionsästhetische Seite des Kunstwerks verhandelt. Beide Aspekte aber sind in sich widersprüchlich: wie der Maurer zwar jetzt unter freiem Himmel, aber zum Verborgnen arbeitet, so soll zwar in die Vertiefungen des Grundsteins verschiedenes eingesenkt werden zum Zeugnis für eine entfernte Nachwelt (332), aber gerade insofern der Stein für ewig (333) gegründet wird, wird niemand dieses Zeugnis der Gründer zur Kenntnis nehmen: es liegt in der Tiefe unter dem Gewicht des Hauses verborgen. Der Schlüssel zum Verständnis der Gründer — m.a.W. zum Verständnis dessen, was der Autor hineingelegt hat — bleibt also genau dadurch und genauso lange verborgen, wie das Haus steht bzw. der Roman als ein Ganzes hingenommen wird. Daraus kann im Umkehrschluß nur gefolgert werden, daß das Werk in seine Einzelteile zerlegt werden, ja daß es sogar zerstört werden muß, will man seinem Grund auf die Spur kommen. Der Maurer bestätigt diese Auffassung, denn der Deckel zum Grundstein kann erst gehoben werden, wenn das alles wieder zerstört wäre, was wir noch nicht einmal aufgeführt haben. (333)

Wir beginnen daher das Zerstörungswerk und öffnen zunächst den Deckel zu dem versiegelten Grundstein. Darin befindet sich Ottilies goldene Kette, die von der Forschung im Sinne der Hermetik als catena aurea gedeutet wird. Das alte hermetische Symbol bezeichnet einerseits den Traditionszusammenhang des seit der Antike überlieferten esoterischen Wissens, andererseits den geheimen Zusammenhang, der zwischen allem Seienden besteht und sich von Gott zur Materie hin abstuft.4 Wer das Lustgebäude zerstört und den Grundstein öffnet, wird also mit Ottilies Kette wieder an den Zusammenhang verwiesen, den er eben aufgelöst hat, und zwar sowohl an den historischen wie den systematischen Zusammenhang nicht nur des Hauses sondern des gesamten Kosmos, an die zeitlichen Dimensionen von Tradition, Vergegenwärtigung und Planung wie an die räumlichen von Himmel, Erde und Unterwelt. Die auf die Nachwelt bezogene rezeptionsästhetische Seite der Maurerrede vollzieht mit diesem Übergang von Zerstörung zu erneuter Synthese die umgekehrte Bewegung wie die produktionsästhetische Tätigkeit des Maurers, der das Haus aufbaut in dem Bewußtsein, daß es wieder zerstört werden wird. Analyse und Synthese einerseits, Produktion und Rezeption andererseits stehen in einem gegenläufigen Bedingungsverhältnis. — Nun, setzen wir das Zerstörungswerk mit einer Analyse der verschiedenen Baukörper fort!

III

Fünf Bauten spielen im Roman eine größere Rolle: Zunächst das alte Schloß, von Eduards Vorfahren im strengen französischen Stil erbaut. Sodann eine gotische Kirche mit einer kleinen Kapelle und einem Kirchhof; die Mooshütte, von Charlotte am Hang gegenüber dem Schloß errichtet, um dort Natur und Landschaft gemeinsam mit Eduard zu genießen, und das neue Lusthaus, von dem schon die Rede war. Die tief in einer Schlucht gelegene alte Mühle wird nur vom Gipfel über der Mooshütte aus sichtbar (289). Sie repräsentiert mit dem Mühlrad den Kreislauf der ursprünglichen Natur, auf der zwar alle Kultur aufruht, die aber, unvermittelt genossen, diese zu zerstören droht. In ihr nistet das Dämonische.5 Jedem der Bauten entspricht eine Weise des Umgangs mit Natur und Geschichte: das bloße Belassen wie im Falle der Mühle; die Benutzung, d.h. die Übernahme und Fortführung der Tradition (Schloß); der Neubau einmal im Sinne der Anbindung an Tradition und Natur (Mooshütte), dann aber auch im Sinne der radikalen Loslösung (Lustgebäude); und schließlich die Restaurierung, d.h. die Aneignung der Tradition unter ästhetischem Gesichtspunkt (Kirche mit Friedhof und Kapelle).

Das Schloß wurde, wie der Hauptmann sagt, von den Vorfahren mit Vernunft hierher gebaut: denn es liegt geschützt vor den Winden, und nah an allen täglichen Bedürfnissen (326). So spräche nichts dagegen, auf dem Grund von Natur und Geschichte weiterzubauen, aber mit einer bloß vernünftigen Lebensweise mag sich das Ehepaar nicht begnügen: man wünscht sich mehr Unterhaltung. Charlotte hat daher den Bau der Mooshütte in Angriff genommen, die sie im Hang gegenüber dem Schloß plaziert. Wie der Gärtner zu Eduard bemerkt, hat man von dort aus

einen vortrefflichen Anblick: unten das Dorf, ein wenig rechter Hand die Kirche, über deren Turmspitze man fast hinwegsieht; gegenüber das Schloß und die Gärten. [...] Dann [...] öffnet sich rechts das Tal und man sieht über die reichen Baumwiesen in eine heitere Ferne. (271)

Der Blick gleitet also über die der Mooshütte gegenüber liegenden Produkte der Kunst (Schloß, Kirche, Dorf) und die kultivierte Natur (Baumwiesen) in eine schöne Natur (heitere Ferne). In dem fließenden Übergang von Kultur zu Natur zeigt sich, daß die Mooshütte selbst in diesen Zusammenhang eingebunden bleibt, wie ihr Name andeutet. Anders verhält es sich mit dem anschließend geplanten Lustgebäude. Schon durch seine Größe verlagert es den Lebensmittelpunkt vom Schloß weg, und die Konzeption des neuen Baus weicht erheblich vom Verfahren der Mooshütte ab. Auch deutet seine Benennung auf die Ablösung von der Vernunft der Vorfahren, die sich im Schloß darstellt. Nach Ottilies Vorschlag wird es auf den Gipfel über der Mooshütte gebaut. Schloß und Dorf sind nicht mehr sichtbar, dafür aber ist die Aussicht nach dem Lande zu [...] außerordentlich schön (326).

Man befindet sich auf der Höhe in einer neuen Welt (326), da die alte verborgen bleibt. Statt der überlieferten Bauten erblickt man die Teiche, die dämonische Mühle und die Gebirge. Während die Mooshütte in mittlerer Lage am Hang Nähe und Ferne, Tradition und Gegenwart, unten und oben unter Ausschluß der Extreme (Mühle und Gebirge) integriert, äußert sich in Ottilies Wahl der höchsten Fläche der Wunsch, die beschränkte, aber vermittelnde Position zugunsten des unbeschränkten Überblicks aufzugeben. Gerade hier aber wird — unter Ausschluß der mittleren Lagen — die rohe, bedrohliche Natur wieder sichtbar. Man gibt also den Bezug auf die Tradition und damit auf die Sicherheiten auf, die die Vorfahren der Natur über lange Zeit abgerungen haben: man beginnt ein Experiment mit ungewissem Ausgang und überläßt sich widerstandslos dem Dämonischen, indem das Schöne sich vom Nützlichen abspaltet. So wird es zwar außergewöhnlich schön (295), trägt aber eben deshalb nichts mehr zur Steigerung des Lebens bei: es kapselt sich ab, Ästhetik und Erfahrung fallen auseinander. Die Erfahrungen der Vorfahren werden nicht mehr ausgewertet, und so gewinnt die rohe Natur ihre Macht über die Protagonisten zurück.6 Wie genau sich der Gegensatz von Anknüpfung an und Einbindung in die Tradition einerseits, Loslösung und hochmütigem sich-Hinwegsetzen über die Erfahrungen der Vorfahren andererseits auch räumlich darstellt, wird beispielsweise an der Sicht auf den Kirchturm deutlich: die Mooshütte bezieht gegenüber dem Schloß schon einen erhöhten Standpunkt, so daß man über die Kirchturmspitze fast hinwegsieht (271). Charlotte bescheidet sich also beim Bau der Mooshütte noch mit einem Standpunkt, der um ein weniges niedriger liegt als der der Religion. Der Neubau auf der Anhöhe steht dagegen in gar keinem Verhältnis mehr zur Kirche: man schaut nicht nur über den Turm hinweg, er wird gar — zusammen mit dem Dorf — verborgen (326).

Wie weit der Erfahrungsverlust schon fortgeschritten ist, wird bei der Grundsteinlegung offenbar. Das Projekt Lustgebäude verstößt gegen alle drei Grundregeln des Bauens, die der Maurer benennt: 'Drei Dinge', fing er an, 'sind bei einem Gebäude zu beobachten: daß es am rechten Fleck stehe, daß es wohl gegründet, daß es vollkommen ausgeführt sei.' (331) Nun ist das erste, die Plazierung, nach dem Maurer Sache des Bauherrn (331). Tatsächlich aber hat Ottilie den Platz bestimmt: erster Verstoß. Das dritte, die Vollendung, ist die Sorge gar vieler Gewerken (331). Das Lusthaus bleibt aber bis zum Schluß des Romans im Rohbau:7 zweiter Verstoß. Aber das zweite, die Gründung, ist des Maurers Angelegenheit (331). Dieser aber hat weder die Legitimation noch die Fähigkeit zur Grundsteinlegung: die Legitimation fehlt ihm als bloßem Gesellen (333), der noch nicht selbständig arbeiten darf. Daß ihm auch die Fähigkeit fehlt, zeigt der Akt der Grundsteinlegung auf geradezu erschreckende Weise. Der Stein liegt an einer Seite unterstützt eben zum Niederlassen bereit (330f). Der Untergrund wurde also nicht einmal geebnet8, und es kann auch keine Rede davon sein, daß der Grundstein wohl auf seiner eignen Schwere (331) ruhte. Zudem ist der Kalk, den Charlotte unter den Stein wirft9, entsprechend den im vierten Kapitel entwickelten chemischen Verhältnissen, ein sehr mangelhaftes Bindungsmittel (331). Das Lusthaus wird also nicht gerade solide gegründet, und um seine künftigen Bewohner wird es nicht zum Besten bestellt sein.

Es kommt noch ein weiterer Verfahrensfehler hinzu: man übereilt sich mit dem Bau und hat zu diesem Zweck schon vor der Grundsteinlegung an der entgegengesetzten Ecke den Grund völlig herausgeschlagen, ja schon angefangen die Mauern aufzuführen (334). Dem symbolischen Akt der Grundsteinlegung wird damit der reale Bezug genommen, und die Symbolik der Vereinigung von Bau und Grund wird geradezu umgekehrt, wenn der Grund herausgeschlagen, der Bau also im wörtlichen Sinne Grund-los wird.

IV

Das vernünftig gebaute Schloß hat man durch den Bau des Lusthauses seiner zentralen Funktion beraubt; die Mooshütte wird ebenfalls nicht in die neuen Anlagen einbezogen, da der vom Hauptmann geplante Weg zum Lustgebäude sie umgeht10, und der Neubau ist nicht eben stabil. Wir wenden uns nun dem Gebäude zu, das den zentralen Platz einnimmt, nachdem die Neubauprojekte gescheitert sind: der Kirche. Obwohl sie das älteste Gebäude im Dorf, älter auch als das Schloß ist, werden sie und der umgebende Friedhof von den Gemeindemitgliedern noch genutzt. Sie ist in das gegenwärtige Gemeindeleben eingebunden und verbindet auf diese Weise die Dimensionen der Zeit. An ihr wird das Verhältnis zwischen Tradition und Gegenwart abschließend thematisiert.

Daß sich Charlotte und insbesondere Ottilie im zweiten Teil des Romans der Kirche zuwenden, könnte schon insofern bedenklich erscheinen, als es im Rahmen der Raumsymbolik einen Rückschritt darstellt: die fünf Gebäude sind entsprechend ihrer historisch-kulturellen Stufe von unten nach oben angeordnet: die Mühle vertritt den Übergang Natur — Kultur, der im weiteren Fortgang der Kultur nahezu unzugänglich wird: sie liegt im Grunde, ist nur über einen wenig betretene[n] Pfad erreichbar, von dichte[m] Gebüsch und moosigem Gestein (322) umgeben und wird im übrigen vom Erzähler eher gemieden: der Leser erfährt nichts über den Bau. Bachaufwärts liegt das Dorf mit der Kirche, die das durch Religion bestimmte Weltbild vorstellt, von ihr aus geht es weiter aufwärts zum vernünftig gebauten Schloß, das der Epoche der Aufklärung entspricht.

Charlottes Mooshütte nimmt gegenüber dem Schloß wiederum einen höheren Standpunkt ein und behält dabei den Überblick über das bisher Erreichte (Klassik?). Ottilies Bestimmung des Bauplatzes für das Lustgebäude eröffnet dann zwar den Blick in die Abgründe und die Unendlichkeit, verbirgt jedoch, wie wir sahen, den zivilisatorischen Prozeß, der diesen Ausblick erst eröffnete (Romantik)11. Die erneute Zuwendung zur Kirche wird daher ebenso wie Ottilies spätere Bestattung als Heilige unter anderem auch als zivilisatorischer Rückschritt zu deuten sein.

Nun wird schon im zweiten Kapitel des Romans festgestellt, daß Charlotte den Kirchhof als ästhetischen Raum betrachtet und unter diesem Gesichtspunkt verändert hat: Sie hat die durch die Gräber entstandenen Hügel einebnen, die Fläche mit Klee besetzen und die Grabsteine nach ihrem Alter an der Kirchenmauer aufreihen lassen. Eduard erscheint der Friedhof so als ein angenehmer Raum [...], auf dem das Auge und die Einbildungskraft gerne verweilte (283), und selbst der alte Pfarrer arrangiert sich mit der Neuerung, da er den Klee für seinen Haushalt nutzt und so einen ökonomischen Vorteil davonträgt. Es scheint also, als ob der Kirchhof zur allgemeinen Zufriedenheit in ein ästhetisches Gebilde verwandelt worden sei. Tatsächlich aber handelt es sich um dieselbe Sorglosigkeit der eigenen Vergangenheit, der Tradition und den Vorfahren gegenüber, die wir beim Bau des Lusthauses beobachtet haben: Wie dieses aus dem Blickfeld des von den Vorfahren gebauten Schlosses gerückt, ja sein Grund gar völlig herausgeschlagen wird, so vernachlässigt Charlottes Friedhofsgestaltung das von ihr selbst eingeforderte12 Recht der Toten auf Ruhe, sie bricht als Grundherrin die Tradition der Bestattung und so mit ihrem eigenen Herkommen, ihrem Grund. Walter Benjamin faßt diesen Sachverhalt folgendermaßen:

Ohne Bedenken, ja ohne Rücksicht werden die Grabsteine an der Kirchenmauer aufgereiht, und der geebnete Grund, den ein Fußpfad durchzieht, bleibt zur Kleesaat dem Geistlichen überlassen. Keine bündigere Lösung vom Herkommen ist denkbar, als die von den Gräbern der Ahnen vollzogene, die im Sinne nicht nur des Mythos, sondern der Religion den Boden unter den Füßen der Lebenden gründen. Wohin führt ihre Freiheit die Handelnden? Weit entfernt, neue Einsichten zu erschließen, macht sie sie blind gegen dasjenige, was Wirkliches dem Gefürchteten einwohnt.13

Was der Hausbau räumlich, symbolisiert der Umgang mit dem Friedhof in der zeitlichen Dimension: ein bindungsloses Leben, das sich ausschließlich dem Genuß und dem Schönen widmet und eben dadurch den Bezug auf Wahrheit verliert.

Charlottes Vorgehen führt zu einem Rechtsstreit mit einer Familie, die der Kirche eine Summe Geldes für ein dauerhaftes Grab gestiftet hatte; nun fordert sie die Stiftung zurück, weil sie die Stiftungsbedingung verletzt sieht. Der Rechtsstreit wird zu einem Streit um die Natur des Symbols, in dem sich folgende zwei Positionen gegenüberstehen: Die klagende Familie betrachtet den Grabstein als ein bloßes Merkzeichen (396), das die Stelle bezeichne, an der der Tote begraben sei. Der eigentliche Gegenstand der Trauer und des Andenkens sei die Person, die unter dem Stein liege; das Denkmal solle lediglich den Ort bezeichnen, an dem sich Verwandte und Freunde versammeln, um in der Gegenwart des Toten zu trauern. Charlotte, deren Position der Architekt ausführt, geht dagegen davon aus, daß der Körper des Toten nach dem christlichen Glauben nur eine Nebenrolle spielt. Während der Leib in der Antike bewahrt und vom Sarkophag als seinem Symbol umschlossen gewesen sei, werde er nach christlicher Lehre der Erde und dem Verfall übergeben. Wenn aber unter der Erde alle gleich seien, so solle die Trauer ein Merkzeichen nicht am Ort des Toten finden, sondern nur am Gedenkstein, unabhängig vom tatsächlichen Begräbnisplatz.

Auf der einen Seite steht also die antike Auffassung, nach der Zeichen und Bezeichnetes eine enge Beziehung eingehen, indem der Sarkophag als Zeichen den Toten als Bezeichnetes umschließt, auf der anderen Seite der moderne Gedanke, daß die Reflexion über einen Gegenstand dessen Gegenwart nicht bedarf: ein vom Gegenstand losgelöstes Zeichen genügt, wie im Falle der Denkmäler, die Charlotte von den Toten getrennt hat. Diese Auffassung der Trennung von Zeichen und Bezeichnetem liegt wie der Einebnung des Friedhofs so auch der fragwürdigen Grundsteinlegung zugrunde. Sie führt zur Verselbständigung des Schönen, zu einem Leben voller Symbole, dem das Symbolisierte, also die Wirklichkeit, entgleitet. Diese setzt sich daher entgegen den Erkenntnissen und Absichten der Handelnden als Dämonische durch.

Hinter dem geschilderten Gegensatz antik-modern wird eine tiefere Verwirrung der Zeichen sichtbar, die ebenfalls von der Rede des Architekten ihren Ausgang nimmt und sich über verschiedene Anknüpfungspunkte weiterverfolgen läßt. Wieder stehen sich, wie in der Rede des Maurers, zwei gegenläufige Bewegungen gegenüber: von der scheinbaren Unmittelbarkeit zum Chaos der Zeichen im Falle Lucianes, von der tatsächlichen Verwirrung zu ihrer Auflösung im Falle Ottilies.

Wir folgen zunächst des Architekten Hinweis auf die der Gegenwart verlorene Möglichkeit, die Reste eines geliebten Gegenstandes eingeurnt an unsere Brust zu drücken (397). Obwohl aussschließlich der Antike zugewiesen, wird dieses Verhältnis von Zeichen und Bezeichnetem dennoch realisiert in Lucianes Darstellung der Artemisia. Hier stehen sich die (scheinbare) Unmittelbarkeit der Umarmung des Toten und die höchste Verwirrung der Zeichen im größtmöglichen Kontrast gegenüber. Denn während der Architekt auf Lucianes Aufforderung hin das Grabmal des Mausolos auf einer Tafel skizziert, muß diese allzuoft ihre Zuflucht zur Urne nehmen, sie an ihr Herz drücken und zum Himmel schauen (415f), also diejenige Pose annehmen, die im Gespräch mit dem Rechtsgelehrten als nicht mehr realisierbar bezeichnet worden war. Tatsächlich wird sie nur dem Scheine nach realisiert, insofern der Aschenkrug (414) leer und die Trauernde ohne Trauer ist. Im Gegenzug zur scheinhaften Darstellung der antiken Verhältnisse durch Luciane krönt der Architekt auf ihre Aufforderung hin die Zeichnung des Grabmals mit der Urne — eine genaue Umkehrung der modernen Verhältnisse, unter denen der Tote unter dem Grabmal liegt. Die Urne wird hier zum weithin sichtbaren Zeichen ihrer selbst, während das Mausoleum seine hinweisende Funktion verliert.14 Hinzu kommt, daß die Urne jetzt innerhalb des Bezugssystems Luciane - Zeichnung zweimal auftaucht: einmal als reale (aber leere) Urne in falscher Unmittelbarkeit, das andere mal in der Darstellung des Architekten. Es wird hier gewissermaßen ein doppelter Idealzustand vorgestellt: die trauernde Luciane schließt den betrauerten Toten in ihre Arme, und die Darstellung in der Zeichnung des Architekten findet sich in unmittelbarer Nähe zum Original, hebt also die der modernen Kunst zugewiesene Distanz zwischen Zeichen und Bezeichnetem auf. Da jedoch Luciane keineswegs tatsächlich trauert, der Vorwurf des Architekten selbst nur Darstellung ohne Bezug zum antiken Original bleibt, verliert sich die scheinbar ideale Konstellation in ein bloßes Spiel der Zeichen ohne Anhaltspunkt in der Wirklichkeit. Sie unterscheidet sich von der Grundsteinlegung und Charlottes Umgestaltung des Friedhofs nur dadurch, daß sie die Unmittelbarkeit in das unverbindliche Spiel mit dem Schein aufnimmt. So wird es mit der Urne als Krönung des Mausoleums nicht nur sachlich falsch, sondern zynisch.

Der zweite Ausgangspunkt findet sich in der Bemerkung des Architekten zur Darstellung der Toten auf den Grabmälern:

[...] doch bleibt immer das schönste Denkmal des Menschen eigenes Bildnis. Dieses gibt mehr als irgend etwas anders einen Begriff von dem was er war; es ist der beste Text zu vielen oder wenigen Noten: nur müßte es aber auch in seiner besten Zeit gemacht sein, welches gewöhnlich versäumt wird. (398)

Ein Bild gibt keinen Begriff, sondern eine Anschauung; schon gar nicht ist es ein Text, den es vielmehr begleiten mag, und in welchem Verhältnis es zu den Noten stehen soll, die im Lied von einem Text begleitet werden mögen, bleibt ebenfalls ungeklärt. Bild, Text und Notenschrift werden hier in einer Weise vermischt, die begrifflich nicht mehr nachzuvollziehen ist, die allenfalls im mystischen Moment als Einheit aller erfahrbar wäre. Dieser findet sich in Ottilies Besuch der Kapelle, nachdem der Architekt die Restaurierung abgeschlossen hat.

Durch das einzige hohe Fenster fiel ein ernstes buntes Licht herein: denn es war von farbigen Gläsern anmutig zusammengesetzt. Das Ganze erhielt dadurch einen fremden Ton und bereitete zu einer eigenen Stimmung. [...] Auch für Ruheplätze war gesorgt. Es hatten sich unter jenen kirchlichen Altertümern einige schön geschnitzte Chorstühle vorgefunden, die nun gar schicklich an den Wänden angebracht umherstanden.
Ottilie freute sich der bekannten ihr als ein unbekanntes Ganze entgegentretenden Teile. Sie stand, ging hin und wieder, sah und besah; endlich setzte sie sich auf einen der Stühle und es schien ihr, indem sie auf- und umherblickte, als wenn sie wäre und nicht wäre, als wenn sie sich empfände und nicht empfände, als wenn dies alles vor ihr, sie vor sich selbst verschwinden sollte, und nur als die Sonne das bisher lebhaft beschienene Fenster verließ, erwachte Ottilie vor sich selbst und eilte nach dem Schlosse. (407f)

In geradezu gespenstischer Weise fließen die Momente der verwirrten Rede des Architekten hier zusammen. Zweimal wird auf den zusammengesetzten Charakter des Ganzen verwiesen, dessen Teile sich aus der Rede des Architekten ergeben: die Noten werden mit den Chorstühlen und dem fremden Ton nur leicht angedeutet. Der Text findet sich in direkter Nachbarschaft zu Ottilie: Seit Charlottes Umgestaltung des Friedhofs stehen die Grabsteine an der Außenseite der Kirche den Jahren nach [...] an der Mauer aufgerichtet, eingefügt oder sonst angebracht (283), während Ottilie im Innenraum in einem der Chorstühle Platz nimmt, die nun gar schicklich an den Wänden angebracht umherstanden (408, Hervorhebungen M.M.). Ottilie selbst, durch die Mauer (in die die Steine teilweise eingefügt sind) vom Text der Grabsteine hinter ihr getrennt, gibt das lebende Bild dazu ab. Des Architekten Bemerkung: Niemand denkt daran lebende Formen zu erhalten (398) wird von Ottilie widerlegt: auf den Tag genau ein Jahr vor ihrem Tod15 erfährt sie sich im 'mystischen' Moment der Kapelle bereits als Tote. Sie übernimmt damit gegenüber dem außen eingefügten, hinweisenden Text der Grabsteine die Funktion des Symbolisierten, das jenen durch Charlottes Umgestaltung des Friedhofs abhanden gekommen war. Das Verhältnis wurde jedoch umorganisiert: Lagen draußen auf dem Friedhof die Toten als Bezeichnete vereinzelt unter den zugehörigen Symbolen, so sind in Ottilies Tagebucheintragung zu ihrem mystischen Einheitserlebnis die Toten der alten Völker in stummer Unterhaltung (409) miteinander begriffen. Die eindeutige Zuordnung eines Zeichens zu jeweils einem Bezeichneten wird also zugunsten eines jeweils eigentümlichen Ordnungsprinzips innerhalb der Gruppe der Zeichen — Charlotte reiht die Grabsteine den Jahren nach an der Kirchenmauer auf — und der Bezeichneten — Ottilie weist jedem Toten in ihrer Tagebuchnotiz mit freundlichem Neigen (410) seinen ihm zugehörigen Platz an — aufgegeben. Geht durch diese Anordnung einerseits die feste Beziehung zwischen Zeichen und Bezeichnetem verloren, so wird doch andererseits ein kommunikatives Spiel zwischen den Bezeichneten eröffnet, das sich allerdings dem Zugriff von außen entzieht: es beruht auf der Voraussetzung, daß die Gruppe der Bezeichneten von der der Bezeichnenden (die Toten von den Grabsteinen) getrennt wird. Zugleich wird das vertikale Verhältnis zwischen Grabsteinen und Toten durch ein horizontales ersetzt (Ottilie wendet ihren Rücken den Grabsteinen jenseits der Kirchenmauer zu), die Beziehung auf den Grund also auch hier wie bei dem Neubau des Lustgebäudes aufgegeben.

Die auffallende Engführung von Grabmal und Zeichen wird kulturhistorisch durch die griechische bzw. lateinische Übersetzung gestützt: gr. Sema führt neben der Hauptbedeutung Zeichen die Nebenbedeutungen Grab, Grabmal mit sich, wie das lateinische monumentum neben Erinnerungszeichen, Denkmal auch Grabmal bedeutet. Auch lassen sich die Chorstühle etymologisch mit den Toten verbinden: Lateinisch sedes ist zugleich Grab.16

So entwickeln die Zeichen ihre eigenen Kräfte: wird ihnen, wie den Epitaphien bei Charlottes Umgestaltung des Friedhofs, das Bezeichnete genommen, so suchen sie sich ein anderes bzw. organisieren sich um. Wer ihnen wie Ottilie zu nahe kommt, wird in diese neue Ordnung einbezogen. Ebenso sucht und findet die verwirrte Rede des Architekten ihre Gegenstände in Luciane und Ottilie. Dennoch: obwohl — oder vielleicht gerade weil — Ottilie zum Opfer des Chaos der Symbole wird, bemerkt sie allein die Widersprüche in diesem Ästhetizismus und löst schließlich den neuen Symbolbegriff ein, indem sie ihn bis in die letzten Konsequenzen verfolgt. Auch hier stellt Luciane das Gegenbild: deren Pose, unmittelbar die Reste des geliebten Gegenstandes eingeurnt an unsere Brust zu drücken, (397) läuft auf den Schein der unmittelbaren Identität hinaus und endet in einem Chaos der Symbole, während Ottilies reale Erfahrung der Verwirrung der Zeichen in der Kapelle umgekehrt in eine neue, in sich stabile Ordnung der Bezeichneten einmündet, die sich von den Bezeichnenden löst.

Aus der Ablösung von Tradition und Natur folgt demnach, wenn wir die Analogie zwischen Baukörper und Kunstwerk weiterverfolgen, das autonome Kunstwerk, das, nach Ottilies Tagebuchnotiz, zwar eine stumme Unterhaltung der Bedeutungen untereinander impliziert, die unter der Voraussetzung fester Zuordnungen zwischen Zeichen und Bezeichnetem nicht möglich wäre, eben deshalb aber auch unverstanden, eben stumm bleiben muß.17 Die Analyse des Schlußbildes wird diese Auffassung bestätigen. Was Ottilie hier in einem mystischen Moment erlebt, die reine Selbstreferenz der Bezeichneten im geschlossenen Raum des Kunstwerks, realisiert sie exakt ein Jahr später in der Inszenierung ihres Todes. Auf dem Wege dorthin entwickelt sie ihren neuen Zeichenbegriff, der eng mit der vorgeführten Identifikation der Toten mit dem Bezeichneten zusammenhängt: In ihrem Tagebuch kommentiert sie die archäologische Sammlung des Architekten von antiken Waffen und Geräten, die er aus Gräbern zusammengetragen hat: Er öffne die Grabhügel der Vorfahren (404), um sich deren Geräte als ästhetische Objekte anzueignen, errichte aber dennoch selbst neue Grabmäler für die Ewigkeit. Aus diesem Widerspruch entwickelt sie ein Konzept der Dauer, das auf den antiken Symbolbegriff zurückgreift. Ihrem Begriff des Nachlebens gemäß bleiben Körper und Seele für eine Zeit vereint, die als Dauer genau zwischen dem bloßen Verfallen und dem ewigen Leben steht:

Warum soll man es aber so streng nehmen? Ist denn alles was wir tun für die Ewigkeit getan? Ziehen wir uns nicht morgens an, um uns abends wieder auszuziehen? Verreisen wir nicht, um wiederzukehren? Und warum sollten wir nicht wünschen, neben den Unsrigen zu ruhen, und wenn es auch nur für ein Jahrhundert wäre.
Wenn man die vielen versunkenen, die durch Kirchgänger abgetretenen Grabsteine, die über ihren Grabmälern selbst zusammengestürzten Kirchen erblickt; so kann einem das Leben nach dem Tode doch immer wie ein zweites Leben vorkommen, in das man nun im Bilde, in der Überschrift eintritt und länger darin verweilt als in dem eigentlichen lebendigen Leben. Aber auch dieses Bild, dieses zweite Dasein verlischt früher oder später. Wie über die Menschen so auch über die Denkmäler läßt sich die Zeit ihr Recht nicht nehmen. (404)

Auf die Architektur übertragen bedeutet dies, daß der Anspruch des Maurergesellen aufgegeben wird, ein Gebäude für ewig (333) zu gründen, dagegen aber jede erdenkliche Sorgfalt darauf verwendet wird, ihm Dauer zu verleihen, indem im Innern eine neue Ordnung der Symbole eingerichtet wird, die sich nach außen abschottet.

V

Im Falle der alten gotischen Kapelle wird dieses Konzept realisiert. Der Architekt restauriert sie gemeinsam mit Ottilie und bindet in der Wieder-Herstellung die Gegenwart an die Vergangenheit. Auch wird Ottilies Zugehörigkeit zu den religiösen Figuren des Mittelalters sinnfällig an den Engelsgesichtern des Architekten, die ihr zunehmend ähneln. Entscheidend ist jedoch, daß die der Vergangenheit entnommenen Symbole anders als noch beim Lusthaus nach innen gerichtet sind: dort sollten Steinmetz und Bildhauer die Arbeit des Architekten verhüllen. Indem die Symbole nach außen gekehrt werden, verschwinden die Substanz des Gebäudes (die Mauern) und sein Grund. Das Projekt Lusthaus trägt nicht, weil es seine eigenen Voraussetzungen ausschließt. So wird der Bau nicht einmal abgeschlossen. In die restaurierte Kapelle werden dagegen Tradition und Basis einbezogen, aber im Vorgang der Aneignung wird das Verhältnis nach außen durchtrennt. Indem sich die Symbole ausschließlich nach innen richten, bilden sie einen autonomen Bezirk des Schönen, der von außen nicht mehr zugänglich ist.

Im Gegensatz zum Lusthaus erhält die Kapelle daher einen stabilen Boden, der seinerseits auf dem alten Fundament aufruht. Ihr Fußboden besteht aus durch eine gegossene Gipsfläche verbundenen Ziegelsteinen (408). Der Gips aber bildet im Unterschied zu dem bei der Grundlegung des Lustgebäudes verwendeten Kalk eine stabile Verbindung.18 Nun entspricht der Stabilität des Gipses aber auf der anderen Seite, daß seine Bestandteile keine neuen Verbindungen eingehen können, d.h. er ist tot. Die Dauerhaftigkeit der Verbindung steht in genau umgekehrter Proportion zu ihrer Lebendigkeit; Die Kapelle ruht so zwar sicher auf dem alten Fundament, zugleich aber wird sie durch den gipsernen Fußboden gegen das Erdreich hin abgeschlossen. So verselbständigt sie sich zu einem letztlich bloß ästhetischen, vom Leben abgelösten Gebilde — wie auch der Roman Die Wahlverwandtschaften.

Die Kapelle wird daher im Schlußbild zum Symbol des modernen Romans, des Kunstwerks überhaupt. Ottiliens Bestattung stellt eine Überhöhung der antiken Grablegung dar: Das Christentum trennt, wie wir oben sahen, das Grabmal (Bezeichnendes) vom toten Körper (Bezeichnetes); nach dem antiken Modell umschließt der Sarkophag (Bezeichnendes) den Körper (Bezeichnetes). Im Falle Ottilies jedoch werden Symbol und Symbolisiertes ineinsgesetzt, sie fallen zusammen, oder vielmehr: ein Bezeichnendes wird überflüssig, da das Bezeichnete sich selbst darstellt: sie wird in der Kapelle in einem Sarg mit gläsernem Deckel bestattet, der die direkte Durchsicht auf ihren Leib erlaubt. Auf diese Weise wird sie im Tod zu einem Bild ihrer selbst, Bild und dargestellter Gegenstand sind eins, die in den Wahlverwandtschaften sonst allenthalben betriebene Dissoziation von Symbol und Symbolisiertem ist an ihr Ende gekommen. Doch damit nicht genug: Wird der Raum nach unten durch die Gipsfläche versiegelt, so nach oben durch die gemalten, Ottilie gleichenden Engelsgesichter, die den Himmel über dem Friedhof ersetzen. So umschließt der Raum in wiederholten Spiegelungen, was der Roman in extenso vorführt: die unendliche Reflexion in Symbolen, die Natur (Gipsboden), Geschichte (alte Kapelle) und Transzendenz (Engelsgesichter) nach innen wenden. Zuletzt befinden sich Ottilie, Eduard und das Kind als reine Bedeutungen in der stummen Unterhaltung, die Ottilie im Tagebuch vorweggenommen hatte. Von einem Grabstein für Ottilie ist daher innerhalb des Romans nicht mehr die Rede, und insofern der Text der Wahlverwandtschaften dessen Funktion übernimmt, bleibt er dem verschwiegenen Gespräch der Bedeutungen im Innern so äußerlich wie die Grabmäler dem Dialog der Toten in der Kapelle.

Die abschließende Pointe aber besteht darin, daß die Umorganisation der Zeichen zum hermetischen System ganz offen vorgeführt wird. Denn man sah sich genötigt die Kapelle, ja außer den Stunden des Gottesdienstes, die Kirche zu verschließen. (527) So wird das Geheimnis auch hier offenbar, ohne sich preiszugeben. Damit wird eine Notiz über den Baukünstler aus Ottilies Tagebuch eingelöst, die sich unmittelbar vor der Reflexion über den Umgang mit den Toten bei den alten Völkern findet:

In den Tempeln zieht er eine Grenze zwischen sich und dem Allerheiligsten; er darf die Stufen nicht mehr betreten, die er zur Herz erhebenden Feierlichkeit gründete, so wie der Goldschmied die Monstranz nur von fern anbetet, deren Schmelz und Edelsteine er zusammengeordnet hat. Dem Reichen übergibt der Baumeister mit dem Schlüssel des Palastes alle Bequemlichkeit und Behäbigkeit, ohne irgend etwas davon mitzugenießen. (409)

Daraus könnte nun umgekehrt gefolgert werden, daß uns die Wahlverwandtschaften, indem zuletzt das religiöse Weltbild reaktiviert und das Kunstwerk in die Stelle des Heiligen einrückt, unverständlich bleiben. Das mag zwar letztlich der Fall sein, aber Ottilies Konzept der Dauer belehrt uns, daß auch ein sorgfältig angelegtes und geschlossenes Gebäude seine geheimen Bedeutungen einmal offenlegen muß.

VI

Abschließend soll der Befund aus der Lektüre skizzenhaft in den Zusammenhang von Goethes Kunstauffassung gestellt werden.19 Eine eingehendere Diskussion ist hier weder möglich noch für die Aufklärung des Sinnes der Wahlverwandtschaften nötig.

Gewissermaßen zum Abschluß der klassischen Phase erscheint 1805 die Gemeinschaftsarbeit Winckelmann und sein Jahrhundert. In den zentralen Abschnitten stellt Goethe den Altertumsforscher als antike Natur (I/19, 180) vor, an der er noch einmal seine eigene, klassische Kunstanschauung gegen die der Romantik entwickelt. Das Kunstwerk befindet sich demnach zugleich in einem Verhältnis der Abhängigkeit und der Steigerung zur Natur. Denn deren höchstes Produkt, der schöne Mensch (I/19, 183), bringt seinerseits das Kunstwerk als Gipfel seines Daseins hervor. In ihm wird das Ganze des Daseins versammelt, und es erhebt, indem es die menschliche Gestalt beseelt, den Menschen über sich selbst, schließt seinen Lebens- und Tatenkreis ab und vergöttert ihn für die Gegenwart, in der das Vergangene und Künftige begriffen ist. (I/19, 184) Das Kunstwerk verhält sich zum Menschen wie dieser zur Natur: ihre produktive Kraft erzeugt den Menschen als einen neuen Kosmos, der sie zugleich abschließt und ein Neues eröffnet. Ebenso erzeugt das menschliche Dasein aus sich heraus das Kunstwerk als einen neuen Kosmos, der die Menschenwelt abschließt und das Göttliche aus sich entläßt.20 Natur, Mensch und das Kunstwerk als Göttliches stehen so in einem Wirkzusammenhang, innerhalb dessen Reflexion im strengen Sinne ausgeschlossen ist. Denn diese setzt eine Subjekt-Objekt-Trennung voraus, die in der — insbesondere in der Antike verwirklichten — Steigerungsfolge von Natur, Mensch und Gott nicht gegeben ist. Dagegen findet aber die produktive Kraft in diesem Gefüge ihr Wirkungsfeld: so bringt es [das Kunstwerk] eine dauernde Wirkung, es bringt die höchste hervor (I/19, 184), gerade weil die Alten sich am Nächsten, Wahren, Wirklichen fest[hielten], und selbst ihre Phantasiebilder haben Knochen und Mark (I/19, 180).

Goethe hat sich zwar zeitlebens gegen die Spaltung dieses Zusammenhanges in eine Subjekt- und eine Objektseite zur Wehr gesetzt, in den poetischen Werken ebenso wie in der Naturwissenschaft, etwa in der Polemik gegen Newton, er hat sie aber schließlich, wie die Wahlverwandtschaften zeigen, als ein Faktum anerkennen müssen, das sich zwischen französischer Revolution und napoleonischer Zeit historisch endgültig durchgesetzt hat und dessen Konsequenzen nun in die Konzeption des Kunstwerks einfließen. Die nächste Folge dieser Subjekt-Objekt-Relation ist die Auflösung des engen Zusammenhangs von Natur, Mensch und Gott. Indem der Mensch sich als Subjekt auf sich selbst bezieht, kommen die Objekte nur insofern zur Geltung, als sie auf das Subjekt bezogen sind. Der eigentliche Wirkzusammenhang wird also durch einen perspektivischen Zugang zur Welt ersetzt, der alles ausblendet, was nicht auf das denkende und wahrnehmende Ich bezogen werden kann: Das, was geschah, hatte für sie [die Alten] den einzigen Wert, so wie für uns nur dasjenige, das gedacht oder empfunden worden, einigen Wert zu gewinnen scheint. (I/19, 179) Auf diese Weise werden die Phänomene undurchsichtig; Natur und Menschenwelt werden nicht mehr verstanden, weil die Subjekte sich ihnen gegenüber- statt in sie hinein stellen. Andererseits erscheinen Natur und Gott dem Subjekt, das sich von ihnen abgetrennt hat, als ein Unendliches, das sich der Erkenntnis über die Subjekt-Objekt-Trennung hinweg entzieht.

Mühle, Kirche, Schloß und Mooshütte stehen noch in dem oben skizzierten Zusammenhang kontinuierlicher Steigerung. Das neue Lustgebäude dagegen bietet zwar eine Aussicht ins Unendliche — in die Gebirge (326) -, läßt aber das bisher Erreichte — Dorf, Kirche, Schloß — in dem Abgrund zwischen Subjekt und Unendlichkeit unsichtbar werden. So steht es für den historischen Punkt, an dem die in sich selbst versenkte Subjektivität die Wirklichkeit aus dem Auge verliert. Anstatt des Schönen als Produkt dieser Wirklichkeit inne zu werden, geht es den Subjekten nunmehr darum, ein lediglich im Bezug auf sie selbst Schönes zu entwerfen. Dieses subjektiv-Schöne, der eigentliche Gegenstand der Ästhetik, richtet sich gegen das der Natur und dem menschlichen Dasein entwachsene an sich-Schöne. Aus diesem Gegensatz ergibt sich die Anfälligkeit des Neubaus. Die Loslösung der Bauherren von ihrem Grund setzt sich als Traditionsverlust unmittelbar in die fehlerhafte Grundsteinlegung um, oder mit anderen Worten: man ist weniger an der Sache (wie ist eine Grundsteinlegung der Überlieferung und den physikalisch-chemischen Gesetzen gemäß zu vollziehen) als am schönen Schein interessiert.

Bei Ottilie ist der Übergang zur Subjektivität am weitesten fortgeschritten. Sie wählt den Bauplatz aus, und der Rückzug ins Innere macht sich überall, selbst bei ihren Eßgewohnheiten bemerkbar: sie beschränkt den Austausch mit der äußeren Welt auch in diesem Bereich auf ein Minimum. Daher bemerkt sie zuerst die Halbheit der ästhetischen Versuche ihrer Freunde. Das Ästhetische dient, etwa bei dem Festzug zur Grundsteinlegung, noch immer der herrschaftlichen Repräsentation. Es bleibt, wie fragil auch immer, noch seinem Grund verbunden. Sie entwickelt daher das Projekt der totalen Ästhetisierung. Indem sie die Verbindung zwischen dem Schönen und seinem Grund endgültig löst, wird es zugleich, weil dem lebendigen Wechsel von Entstehen und Vergehen entzogen, auf Dauer gestellt. Löst sich das Ästhetische aber aus dem Wirkzusammenhang der Natur, so folgt notwendig seine Erstarrung, der Tod.

Um das vollkommene Kunstwerk im Sinne des subjektiv-Schönen zu realisieren, muß Ottilie daher sterben. Den ehemals lebendigen Zusammenhang von Natur, Kunst und Göttlichem nimmt sie mit in ihr Grab. Wie Medusa in den Schild des Perseus starrt21 die tote Ottilie in ihr eigenes Antlitz an der Kapellendecke. Himmel (Decke), Grund (Gipsfußboden) und Menschenwelt (die leeren Chorstühle, den Toten vorbehalten) erscheinen im Kosmos dieses Kunstwerkes nur noch als nach innen gerichtete Spiegel der Subjektivität Ottilies, ebenso tot wie sie selbst. Der Unendlichkeit von Ottilies innerer Welt entspricht ihre Abkapselung nach außen: die Kirche wird verschlossen.

Wird mit dieser Abschließung, der, von außen betrachtet, die Unverständlichkeit entspricht, schon ein wesentlicher Grundzug der modernen, absoluten Kunst getroffen, so trifft die Art von Ottilies Bestattung einen weiteren. Denn sie entspricht mit ihrer Trennung von Zeichen und Bezeichnetem nicht nur der radikalisierten Subjektivität wie der Sarkophag dem antiken Verhältnis und der alte Friedhof dem Mittelalter; sondern zugleich mit dem Vorgriff auf die Moderne bezeichnet die Grablegung Ottilies in der gotischen Kapelle einen Rückgriff auf frühere historische Epochen, eine Regression innerhalb der an den Baukörpern ablesbaren Entwicklungsfolge. Ob es sich dabei, wie der um Ottilie entstehende Heiligenkult nahelegt, um das Mittelalter handelt, oder ob die Umschließung der Toten auf die ägyptischen Pyramiden anspielt (so wie der gläserne Sargdeckel die mit den Mumienporträts angestrebte Einheit von Totem und Hülle einlöst), muß nicht entschieden werden. Die Ausklammerung der Antike als des idealen Zeitalters aus der historischen Stufenfolge22 beläßt das Schlußbild im Zwielicht. Immerhin scheint Hegels Bestimmung der Pyramiden als symbolischer Kunstform ihre späte Entsprechung in Ottilies Grab zu finden:

In dieser Weise stellen uns die Pyramiden das einfache Bild der symbolischen Kunst selber vor Augen; sie sind ungeheure Kristalle, welche ein Inneres in sich bergen und es als eine durch die Kunst produzierte Außengestalt so umschließen, daß sich ergibt, sie seien für dies der bloßen Natürlichkeit abgeschiedene Innere und nur in Beziehung auf dasselbe da. Aber dies Reich des Todes und des Unsichtbaren, das hier die Bedeutung ausmacht, hat nur die eine, und zwar formelle Seite, welche zum wahrhaften Kunstgehalt gehört, nämlich dem unmittelbaren Dasein entrückt zu sein, und ist so zunächst nur der Hades, noch nicht eine Lebendigkeit die, wenn auch dem Sinnlichen als solchem enthoben, dennoch ebenso zugleich in sich daseiend und dadurch in sich freier und lebendiger Geist ist. — Deshalb bleibt die Gestalt für solch ein Inneres eine dem bestimmten Inhalt desselben ebensosehr noch ganz äußere Form und Umhüllung.
Solch eine äußere Umgebung, in der ein Inneres verborgen ruht, sind die Pyramiden.23

Ob wir nun das Schlußbild auf das Mittelalter oder auf Ägypten beziehen: in beiden Fällen ergibt sich die Identität früher Kulturstufen mit der Moderne, vielleicht selbst in dem Sinne, daß die Kunst in den Grabstätten ihren Anfang nahm und in den Wahlverwandtschaften wieder darin endet. Die absolute, nur auf sich selbst bezogene Kunst der Moderne steht wieder am Anfang der mühsamen Integration von Natur, Mensch und Kunst in einen gestuften Kosmos. Das Endprodukt der europäischen Zivilisation, das aufgeklärte Subjekt, fällt zurück in die Barbarei. Sollte dies das Resultat der Wahlverwandtschaften sein, so hätte Goethe, nicht nur was den Rückgriff der künstlerischen Darstellungsmittel auf frühe Zivilisationsstufen, sondern auch was die historische Entwicklung bis ins 20. Jahrhundert angeht, wahrlich eine vorausschauende Diagnose gestellt.

 

Anmerkungen

1 Im Gegensatz zum Landschaftskomplex, auf den Gleiches zutrifft, ist der Motivbereich Architektur meines Wissens noch nicht durchgängig untersucht worden.

2 J.W. Goethe: Sämtliche Werke, hg.v. Friedmar Apel u.a., Frankfurt 1987ff. II. Abtlg., Bd. 6, S. 459. Im folgenden wird Goethe durchgehend nach der Frankfurter Ausgabe zitiert, die Wahlverwandtschaften (in I/8, hg.v. Waltraud Wiethölter) nur mit Seitenzahl, alle anderen Werke unter Angabe von Abteilung, Band und Seitenzahl.

3 So auch Hauke Stroszeck: Goethes Die Wahlverwandtschaften — Das Sprechen von Natur und die Natur des Romans. Ms., Aachen ca. 1987.

4 W. Wiethölter: Kommentar, S. 1033.

5 Ähnlich auch Walter Benjamin: Goethes Wahlverwandtschaften, in: W.B.: Gesammelte Schriften, Frankfurt 1980, Bd. I, S. 139.

6 Die auf das Gerüst gestiegenen Gäste konnten die schöne Aussicht nach allen Seiten nicht genugsam rühmen: [...] Nach dem Innern des Landes kamen mehrere neue Dörfer zum Vorschein; den silbernen Streifen des Flusses erblickte man deutlich; ja selbst die Türme der Hauptstadt wollte Einer gewahr werden. (334f) Hier wird die Verbindung zwischen Lustgebäude und Kultur zwar wieder eröffnet; es wird aber der kontinuierliche Zusammenhang gestört: es sind neue Dorfer und die entfernte Hauptstadt zu sehen, nicht das Nächste.

7 Vgl. 464: Das Haus selbst war nahezu [!] bewohnbar und 490: Eduard und der Hauptmann erblickten [...] in der Ferne das neue Haus auf der Höhe, dessen rote Ziegeln sie zum erstenmal blinken sahn. Das Lustgebäude ist also noch nicht verputzt, von den Arbeiten des Steinmetzen und Bildhauers zu schweigen.

8 Alternativ kann man sich auch vorstellen, daß der Untergrund zwar waagrecht, der Grundstein sich aber in Schrägstellung befindet. Jedenfalls bilden Grund und Stein keine parallelen Flächen, wie es sich für eine Grundsteinlegung gehört.

9 Dies wäre eigentlich Aufgabe des Gesellen. Wie die Festlegung des Bauplatzes an Ottilie, wird die Gründung an Charlotte delegiert.

10 Zu Ottiliens Geburtstag ist alles fertig geworden: die ganze Mauer die den Dorfweg gegen das Wasser zu einfaßte und erhöhte, eben so der Weg an der Kirche vorbei, wo er eine Zeit lang in dem von Charlotten angelegten Pfade fortlief, sich dann die Felsen hinaufwärts schlang, die Mooshütte links über sich, dann nach einer völligen Wendung links unter sich ließ und so allmählich auf die Höhe gelangte. (330)

11 Die Antike wird hier wohl ausgespart, weil sie als ideales Zeitalter nicht in die skizzierte Stufenfolge zu integrieren ist. Das Zeitalter der Religion kann daher idealtypisch sowohl auf die Epochen vor bzw. neben der Antike (Ägypten, Judentum) als auch auf die Zeit danach (Mittelalter) bezogen werden.

12 Lassen wir die Toten ruhen (342), fordert Charlotte mit Bezug auf ihren ersten Ehemann.

13 Benjamin: Wahlverwandtschaften, S. 132.

14 Das antike Original in Halikarnassos wurde dagegen von einem Viergespann mit den Statuen des Mausolos und der Artemisia abgeschlossen. Vgl. Lexikon der Alten Welt, hg.v. Carl Andresen u.a., Zürich / München 1969, Sp. 1186.

15 Sie verbarg sich nicht in welche sonderbare Epoche diese Überraschung gefallen sei. Es war der Abend vor Eduards Geburtstage. (408) Den Abend vor Eduards Geburtstage (519) stirbt Ottilie.

16 Vgl. dazu auch Stefan Goldmann: Statt Totenklage Gedächtnis. Zur Erfindung der Mnemotechnik durch Simonides von Keos, in: Poetica 21, 1989, S. 43-66, passim, besonders aber S. 61.

17 Unter diesem Aspekt wäre auch die fast magische Anziehungskraft neu zu deuten, die Eduard und Ottilie vor ihrem Tode aufeinander ausüben. Vgl. dazu S. 515f.

18 Vgl. S. 304 sowie den Kommentar von Wiethölter S. 1024f.

19 Dieser Abschnitt wäre, weniger noch als die vorhergehenden, kaum entstanden ohne die Anregungen aus Georg Pichts Philosophie der Kunst. Vgl. G.P.: Kunst und Mythos, Stuttgart 1986. Zu Goethe besonders das Kapitel Die Lehre vom Ende der Kunst.

20 Heute würde man den Goethe'schen Begriff der Steigerung wohl als Emergenz bezeichnen.

21 Nannys Ausruf nach dem Wunder könnte vermuten lassen, Ottilies Augen seien — wohl auf Drängen Eduards, der sie als eine Lebende behandelt (523) wissen will — nicht geschlossen worden: Was mir kein Mensch, was ich mir selbst nicht vergeben konnte, vergibt mir Gott durch ihren Blick, ihre Gebärde, ihren Mund. (524)

22 Vgl. oben, Anm. 11.

23 G.W.F. Hegel: Werke in zwanzig Bänden, Bd. 13 (Vorlesungen über die Ästhetik I), Frankfurt 1970, S. 459f.

<http://www.isc.meiji.ac.jp/~mmandel/goethe_wahlverwandtschaften.html>