Goethe-Ausgaben auf CD-Rom. Sammelrezension

Goethes Werk im KontextDigitale BibliothekWeimarer AusgabeHamburger AusgabeDer junge GoetheZeit. Leben. WerkFazit

Zur Inhaltsübersicht

Von Michael Mandelartz. Stand: Juli 2006

Goethes Werk im Kontext

Goethes Werk im Kontext, erschienen 2005, enthält die Berliner Ausgabe einschließlich Paralipomena und Kommentarteil. Sie wurde ursprünglich 1965-1978 in 22 Bänden von Siegfried Seidel im Aufbau-Verlag herausgegeben. Als Ergänzung wurden der elektronischen Ausgabe die zwei Bände zur Naturwissenschaft aus der Gedenkausgabe (Artemis-Verlag 1949-1971, Hrsg. Ernst Beutler) zugegeben — insgesamt etwa 22 000 Buchseiten. Briefe, Tagebücher und Gespräche wurden, abgesehen von Zitationen im Kommentarteil, weder in die Druck- noch in die gegenwärtige elektronische Version aufgenommen. Der Text beruht im wesentlichen auf der Ausgabe letzter Hand und der Weimarer Ausgabe und wurde wie üblich mit dem Ziel der Vermeidung gewaltsamer Vereinheitlichungen unter Wahrung des Lautstandes modernisiert. Die Berliner gilt als eine der großen, zuverlässigen Ausgaben, ist aber im Druck leider nur noch antiquarisch erhältlich. Vielleicht veranlaßt die CD-Rom-Ausgabe den Verlag ja zu einer Neuauflage, zumal zum Schiller-Jubiläum 2005 auch die Berliner Schiller-Ausgabe erschienen ist, die auf ähnlichen editorischen Leitlinien beruht.

Das Retrievalprogramm ViewLit arbeitet mit mehreren größenverstellbaren Fenstern. Im Regelfall bleiben ein Haupt- und ein Ergänzungfenster nebeneinander stehen, so daß Kommentare, Anmerkungen und Register eingesehen werden können, ohne den Haupttext zu verlassen. Ein drittes, frei positionierbares Fenster, der Inhaltsbaum und das Suchmenü werden bei Bedarf zugeschaltet. Der gesamte Textbestand wurde in 2241 Kapitel aufgeteilt, die als durchlaufender Text einem Zweig auf der untersten Ebene des Inhaltsbaums entsprechen. Der feststehende Kopfeintrag jeden Kapitels enthält den Werktitel und einen Verweis auf den Beginn des Kommentars, der fortlaufende Text wird links mit den Seitenzahlen ausgezeichnet, die auf den passenden Abschnitt des Kommentars verweisen soweit vorhanden. Verszählungen für Gedichte und Dramen hat die Berliner Ausgabe und damit auch Goethe im Kontext nicht. Vorangestellt wurde der Ausgabe eine ausführliche Gesamtinhaltsübersicht (die zusammengeführten Inhaltsverzeichnisse aller Bände), von der aus sich nicht nur kleinere Texte, sondern auch einzelne Auftritte der Dramen oder Abschnitte der Romane unterhalb von Akten und Kapiteln anspringen lassen.

Das Ergänzungsfenster zeigt nach dem Programmstart zunächst eine Grobgliederung in die sieben Abteilungen der Berliner Ausgabe, die aus der Gedenkausgabe übernommenen naturwissenschaftlichen Schriften und den Anhang. Von dort aus kann man die Abschnitte der Gesamtinhaltsübersicht rechts anspringen. Während der Arbeit wird das Ergänzungsfenster aber eher die vom Haupttext aus anklickbaren Kommentare und Einzelerläuterungen oder eine der Schnellreferenzen anzeigen: Personen und ihre Werke (+ Zeittafel) oder Goethes Werkregister (+ Gedichtschronologie).

Die erste Schnellreferenz zeigt eine lange Liste von bei Goethe erwähnten Personen und ihren Werken an. Bei Vinci, Leonardo von [sic!] etwa finden sich 57 Erwähnungen, darunter 25 allgemeine in drei verschiedenen Bänden sowie werkbezogene zur Anbetung der Könige, zu Christus unter den Pharisäern, zu einem Christuskopf, vierzehn zum Abendmahl und noch fünfzehn weitere zu anderen Werken, sämtlich mit Band- und Seitenzahl nachgewiesen und per Hyperlink direkt anzuspringen. Das Register der ersten Abteilung der Weimarer Ausgabe (literarische Werke) verzeichnet demgegenüber nur 54 Einträge. Das Namenregister in Bd. 14 der Hamburger Ausgabe führt nur 15 Erwähnungen auf, ohne sie weiter aufzuschlüsseln. Die Münchner Ausgabe hilft bei der Frage nach Leonardo kaum weiter: die Schriften zur bildenden Kunst sind hier über die gesamte Ausgabe verstreut, Register wurden aber nur für die autobiographischen Schriften und die Briefwechsel sowie ausgewählte Übersetzungen und naturwissenschaftliche Schriften eingerichtet. Die Registerbände der Frankfurter Ausgabe sind noch nicht erschienen. Daß die Erschließung von Goethes Werk schon in der Druckausgabe der Berliner Ausgabe erheblich tiefer reicht als bei anderen (etwa 850 Seiten gegenüber etwa 250 in der Hamburger), dürfte die Auswahl der Textbasis für die elektronische Version mitbestimmt haben. Man sieht, daß der Gewinn einer elektronischen Ausgabe nicht unwesentlich von der vorangegangenen philologisch-editorischen Arbeit abhängt.

Gibt man in die Schnellreferenz Personen und ihre Werke (+ Zeittafel) eine Jahreszahl ein, so erscheint eine Zeittafel, die biographische und zeitgeschichtliche Ereignisse mit wichtigen Werken Goethes korreliert. Links führen von hier aus zu den Tag- und Jahresheften, zum Gedichtsregister und zu den erwähnten Werken. Mit der Zeittafel der Hamburger Ausgabe (etwa 150 Seiten) kann sich dieser Teil allerdings nicht messen. Optimal wäre hier die Einarbeitung von Göttings Chronik von Goethes Leben (1953), Unterbergers Goethe-Chronik (2002) oder gar von Robert Steigers Goethes Leben von Tag zu Tag (1982-1996) gewesen.

In der zweiten Schnellreferenz, dem Goethe Werkregister (+ Gedichtschronologie) findet man etwa bei der Eingabe von die wahlverwandtschaften Sprungmarken zum Romanbeginn und -ende vor, zu den Paralipomena, zu 17 Erwähnungen seines Werkes durch Goethe und drei Stellen in Kommentaren zu anderen Werken. Auch solche Erwähnungen werden registriert, in denen das Werk nur implizit genannt wird: Die Eingabe von novelle ergibt u. a. einen Verweis auf die Tag- und Jahreshefte von 1797, wo es heißt: Auch ich blieb meinerseits in vollkommener Tätigkeit: Hermann und Dorothea erschien als Taschenbuch, und ein neues episch-romantisches Gedicht wurde gleich darauf entworfen. Gemeint ist, wie der Kommentar mitteilt, der erste Entwurf zur Novelle unter dem Titel Die Jagd, den Goethe nach Einwänden Schillers liegenließ und erst 1826 wieder aufnahm. — Die Eingabe einer Jahreszahl bringt hier das chronologische Gedichtsregister mit den Entstehungs- und Erscheinungsdaten sowie Sprungmarken zum Gedicht, zu den Erwähnungen und zum Apparat.

Die beiden Schnellreferenzen, der Haupttext, die Kommentare und Anmerkungen sind durchgängig miteinander verlinkt. Das erstreckt sich bis auf die Lesarten im Anhang der Bände, die Zeile für Zeile auf den Haupttext verweisen und das Sprungziel beim Anklicken farblich hervorheben. Das Editorial spricht von insgesamt 139 000 Links.

Das Suchmenü bietet Boolsche Suche mit Platzhaltern über das gegenwärtige Kapitel, auswählbare Werke, den Gesamttext oder die Indices. Mit der Querfeldeinsuche kann die Suche auf weitere ViewLit-Titel ausgedehnt werden, falls vorhanden. Bei eingeschalteter Eingabekontrolle wird umgehend eine Wortliste ausgefiltert. Auf diese Weise bringt beispielsweise der Suchausdruck *farb* über den Gesamttext der Berliner Ausgabe eine Liste mit gut 400 Einträgen an den Tag, von abfärben bis Zwischenfarben. Darüberhinaus können eine Komplettwortliste mit 158 525 (!) alphabetisch oder nach Häufigkeit zu ordnenden Einträgen und weitere Indices der Gedichtüberschriften und Strophenanfänge, der Maximen und Reflexionen, der Anonyma und Periodica, ein Werkregister der Übersetzungen und anonymer Werke der bildenden Kunst für die Suche genutzt werden. Auch der griechische Wortschatz ist, in transkribierter Form, in die Wortlisten integriert und damit durchsuchbar. Ein Doppelklick auf ein beliebiges Wort öffnet die Wortliste an der entsprechenden Stelle, so daß benachbarte Einträge für eine Suche leicht ausgewählt werden können.

Die naturwissenschaftlichen Schriften haben zwar keinen eigenen Apparat, sie wurden aber mit dem der Berliner Ausgabe und den Registern verlinkt. Zusätzlich wurden die zahlreichen internen Verweise, beispielsweise zwischen den Paragraphen der Farbenlehre oder auf die Farbtafeln, als Hyperlinks umgesetzt. Die Zusammenführung zweier Ausgaben führt allerdings auch zu Inkonsistenzen: Die Studie nach Spinoza erscheint in Bd. 18 der Berliner Ausgabe unter den Schriften zur Literatur, in Bd. 16 der Gedenkausgabe unter den naturwissenschaftlichen Schriften. Goethe im Kontext führt sie folglich zweimal auf, im ersten Fall mit, im zweiten ohne Kommentar. Hier wäre, wenn man den Text der Vollständigkeit halber zweimal bringt, zumindest ein Link auf den Kommentar der Berliner angebracht gewesen.

Außer in Lesezeichen und Anmerkungen lassen sich Ergebnisse der Lektüre in einer kleinen Textverarbeitung festhalten, die in das Programm integriert wurde und Notizen oder auch kopierte Textstellen einschließlich Nachweis und Rückverlinkung zum Goethe-Text aufnimmt. Diese Projektdateien im RTF-Format können dann außerhalb des Programms mit beliebigen Textverarbeitungsprogrammen weiterbenutzt werden. Natürlich kann man die Texte auch ohne den Umweg über die interne Textverarbeitung in andere Programme kopieren.

Insgesamt ist Goethe im Kontext wohl die am sorgfältigsten redigierte, besterschlossene und nach der Weimarer Ausgabe (s. u.) auch vollständigste elektronische Goethe-Ausgabe. Sie zeigt, daß die in die Buchausgaben investierte editorische Mühe durch schnelle Suchmaschinen keineswegs entwertet wird; im Gegenteil entfalten die Register in Verbindung mit erneuter elektronisch-editorischer Kleinarbeit und der maschinellen Suche erst ihr Potential. Diese Möglichkeit wurde hier auf der Grundlage früherer Erfahrungen mit philosophischen Werken — der Verlag hat u. a. eine zweisprachige Platon-Ausgabe und Kants sämtliche Schriften auf CD-Rom umgesetzt — konsequent genutzt. Überraschenderweise bietet die Berliner Ausgabe, die nach Erscheinen der Münchner und Frankfurter nur noch wenig benutzt wird, knapp 30 Jahre nach ihrem Abschluß noch immer die beste Grundlage für ein solches Verfahren.

Es gibt nicht viel an dieser Edition auszusetzen, zumal wenn man sie mit den bisherigen Goethe-Ausgaben auf CD-Rom vergleicht. Dennoch wären die folgenden Punkte für kommende Auflagen wünschenswert:

Screenshot und alphabetisches WerkregisterKarsten Worm InfoSoftWare, Berlin.

Digitale Bibliothek

Führt die elektronische Umsetzung der Kleinarbeit von Generationen von Goethe-Philologen bei Goethes Werk im Kontext in die Tiefe, so geht die Masse der digitalisierten Texte bei der Digitalen Bibliothek in die Breite. Die Textmenge der CD-Rom Deutsche Literatur von Luther bis Tucholsky ermöglicht in Verbindung mit einer Suchmaschine ganz neue Arbeitsweisen. Man wird aber nicht erwarten, daß die Separatausgabe von Goethes Werken in Bd. 4 der Digitalen Bibliothek ähnliche Ergebnisse zeitigt wie die digitalisierte Berliner Ausgabe. Da sie weder Paralipomena noch einen Kommentarteil enthält, fehlt für eine interne Verlinkung schon die Textbasis, sie wurde aber auch nicht angestrebt. Ergänzt wird die Ausgabe durch eine Zeittafel, Peter Boerners rororo-Monographie zu Goethe einschließlich Bibliographie (bis 1995) und eine Reihe von Bildern. Die Tafeln der Goetheschen Werke wurden dagegen nicht aufgenommen. Die Inhaltsübersichten zu Beginn der Werkgruppen bringen kurze Angaben zu Entstehung und Erstdrucken. Alle größeren Werke sind vorhanden, nicht dagegen kleinere wie beispielsweise Maskenzüge oder Singspiele. Es fehlen das Faust-Fragment von 1790, Teile der autobiographischen Schriften, Übersetzungen und größere Partien des naturwissenschaftlichen Werks. Textgrundlage sind die Hamburger und ergänzend die Berliner Ausgabe. Die aktuelle Ausgabe, Band- und Seitenzahl werden in der Kopfzeile neben dem Werktitel jeweils eingeblendet und beim Kopieren automatisch übernommen.

Die Briefe, Tagebücher und Gespräche enthalten ein Personenverzeichnis, das allerdings nicht mit dem Haupttext verlinkt wurde. Die von Paul Raabe 1990 herausgegebenen Nachträge und Register zur Briefabteilung der Weimarer Ausgabe wurden ebensowenig berücksichtigt wie der Apparat.

Die CD-Roms sind mit einer Suchmaschine versehen, die auch Boolsche Anfragen erlaubt. Die Fundstellen kann man nach einer Suche abspeichern. Etwas umständlich ist ab Version 4 des Programms die Eingrenzung der Suche auf bestimmte Werke oder Werkgruppen, eine einmal getroffene Auswahl läßt sich aber für spätere Suchen ebenfalls abspeichern. (Version 3 erlaubte dagegen nur die Suche über eine Werkgruppe oder ein einzelnes Werk.) Die Texte wurden wahrscheinlich nur auf automatischem Wege korrigiert, jedenfalls sind relativ viele Fehler stehengeblieben. Die Begrenzung des Textexports wurde in Version 4 von acht auf 100 Bildschirmseiten erhöht.

Rezensionen zu den Werken von Anne Bohnenkamp, zu den Briefen, Tagebüchern und Gesprächen von Sebastian Donat und zur Digitalen Bibliothek von Fotis Jannidis.

Weimarer Ausgabe

Die vollständigste elektronische Goethe-Ausgabe hat ihren Preis: Chadwyck-Healey (eine Tochter von ProQuest, Cambridge, UK) bietet die ursprünglich 1887-1919 erschienene Weimarer Ausgabe einschließlich Apparat, die Gespräche nach Woldemar von Biedermann (1889-1896) und die von Paul Raabe herausgegebenen Nachträge (1990) online oder auf CD-Rom für ca. 5000 Euro an. Hier wurden die Texte zweimal und unabhängig voneinander per Hand eingegeben und anschließend auf Abweichungen überprüft, dennoch blieben Fehler stehen. Das folgende bezieht sich auf die CD-Rom-Ausgabe von 1995.

Die elektronische Edition ist eine 1:1-Umsetzung der Weimarer Ausgabe. Sie erschließt restlos die vor hundert Jahren investierte philologische Arbeit, tut aber wenig oder nichts, um das neue Medium für ein flüssigeres Arbeiten zu nutzen. Nicht einmal ein praktikables Gesamtinhaltsverzeichnis wurde angelegt. Das Gehe zu-Menü zeigt die fünf Bereiche (Literarische Werke, naturwissenschaftliche Schriften, Tagebücher, Briefe, Gespräche) und die jeweiligen Band- und Seitenzahlen an, nicht aber, welche Werke in den Bänden zu finden sind. Dasselbe gilt für das Inhaltsverzeichnis zu den literarischen Werken. In den anderen Abteilungen gelangt man dagegen über das Inhaltsverzeichnis leichter zum Ziel. Die Nachträge der Weimarer Ausgabe werden in der elektronischen Ausgabe weiterhin als Nachträge an exakt derselben Stelle geführt wie im Original, statt sie neu einzuordnen und damit auf einen Blick sichtbar zu machen, welche Texte zu welchem Werk vorliegen. Auch in die Inhaltsverzeichnisse der Hauptbände wurden die Nachträge nicht aufgenommen oder auch nur als Hyperlinks umgesetzt. Man muß also, genau wie bei der Druckausgabe, die Bände einzeln durchstöbern, um alle Textfassungen aufzufinden. Gibt man, um diese Zeitverschwendung zu vermeiden, in das Suchformular ein: Nachträge und Morphologie, so erhält man u. a. Verweise auf die Nachträge zu Bd. 6, 7, 8 und 11, und zwar wiederum ohne Angabe von deren Inhalt.

Die Querverweise der ursprünglichen Herausgeber, die sich naturgemäß nicht auf die Nachträge erstrecken, wurden zwar konsequent, aber oft nicht sehr hilfreich umgesetzt. Zu Beginn des West-östlichen Divans etwa finden sich fünf Links, die neue Fenster öffnen: Apparat, Paralipomena, Paralipomena, Paralipomena, Nachträge. Klickt man auf den ersten Eintrag Paralipomena, so finden sich zu Beginn des neuen Fensters wiederum zwei Links: Haupttext, Haupttext, deren erster wie angekündigt zum Haupttext führt, wenn auch leicht versetzt und in einem neuen Fenster, der zweite dagegen zu einer Anmerkung der Herausgeber zur Aufspaltung des Registers auf zwei Bände sowie einer Zusatzanmerkung zur Benutzung des Buttons, der die Register in der elektronischen Ausgabe aufruft. Folgt man der Aufforderung, so muß man die beiden Register tatsächlich nacheinander abfragen. Insgesamt sind über die Ausgabe 50 Register verstreut, von denen je nach Fragestellung mehr oder weniger benutzt werden müssen, und zwar einzeln. Ein Gesamtregister gibt es nicht.

Die Querverweise innerhalb von Goethes Werk wurden dagegen nicht umgesetzt; jedenfalls ergab dies eine Stichprobe in der Farbenlehre. Im didaktischen Teil, zweite Abteilung, Abschnitt XIII, § 199, findet sich ein impliziter Verweis auf Tafel II der Farbenlehre: Wir nehmen das einfachste Bild vor uns, ein helles Rund auf dunklem Grunde A. Goethes Werk im Kontext setzt den Verweis an dieser Stelle als beschrifteten Hyperlink um, so daß man die Farbtafel sowohl in der elektronischen als in der Druckausgabe auffindet. Die Weimarer Ausgabe setzt dagegen keinen Link, ja die Tafeln scheinen ganz zu fehlen. Die expliziten Verweise Goethes auf andere Paragraphen wurden zwar verzeichnet, da sie ja im Text stehen, aber ebenfalls nicht als Links umgesetzt.

Es handelt sich bei der Weimarer Ausgabe auf CD-Rom primär nicht um ein Arbeitsinstrument für Goethe-Forscher, sondern allenfalls für kommende Goethe-Herausgeber, die ein Interesse an der punktgenauen elektronischen Dokumentation der historischen Ausgabe mit allen ihren Fehlern, Inkonsistenzen und in 32 Jahren Editionsgeschichte nicht ausbleibenden Zufälligkeiten haben. Für diejenigen, die sich nicht primär mit der Edition, sondern mit Goethes Werk beschäftigen, stellt gegenüber der gedruckten Ausgabe nur die Suchfunktion über sämtliche Schriften Goethes einen Gewinn dar. Daß sämtliche in diesem Fall tatsächlich wörtlich zu verstehen ist, zeichnet die Ausgabe dann doch gegenüber allen anderen aus. Neben der Boolschen Suche mit Platzhaltern über den gesamten Datenbestand, eine der fünf Werkgruppen oder einzelne Werke ist auch eine Kommandozeilensuche über bestimmte Datenelemente, z. B. Widmungen, möglich.

Da die Weimarer Ausgabe mit ihrer verwickelten Editionsgeschichte relativ unübersichtlich und philologisch veraltet ist, die Umsetzung auf CD-Rom zudem alles andere als benutzerfreundlich, wäre zu wünschen gewesen, daß im Rahmen der Digitalisierung der Bibliothek Deutscher Klassiker des Deutschen Klassiker-Verlages auch Goethe erneut in Angriff genommen worden wäre. Das ist nicht geschehen und wohl auch nicht vorgesehen. — Erkundigen Sie sich bei Ihrer Bibliothek, ob die CD-Rom oder ein Internetzugang zur Verfügung steht. Rezension in: Arbitrium 16, 1998, S. 192-201.

Hamburger Ausgabe

Schon 1989 wurde die Hamburger Ausgabe von Helmut Schanze elektronisch erschlossen, damals auf 50 Disketten mit dem Retrievalprogramm Word Cruncher. 1999 wurden die Daten von Schanze, Randall L. Jones und Steven P. Sondrup mit Folio Views neu aufbereitet. Die CD-Rom ist inzwischen nicht mehr erhältlich.

Wie bei der oben besprochenen digitalisierten Weimarer handelt es sich hier um eine 1:1-Umsetzung der Hamburger Ausgabe. Das Programm gibt den Text seiten- und zeilengetreu mit Numerierung wieder, d. h. der Fließtext wird von Zeilenumbrüchen und -Nummern unterbrochen. Das hat zur Folge, daß Phrasen und verknüpfte Begriffe nur gefunden werden, wenn sie auf einer Zeile stehen. Die Empfehlung der Readme-Datei, it is strongly recommended that users limit a complex search to as few words as possible, ist so wörtlich zu nehmen, daß der Ausdruck complex search keinen Sinn mehr macht: Erfolgsaussichten hat nur die Suche nach genau einem Wort, und auch dieses eine wird nicht gefunden, wenn es zufällig am Zeilenende getrennt wurde. Die komfortablen Suchfunktionen, die Folio Views an sich bietet, können im Gegensatz zur Ankündigung auf der Webseite nicht genutzt werden.

Nach dem Kopieren von Textstücken müssen die Zeilennummern — wie übrigens auch bei der Weimarer Ausgabe — einzeln entfernt werden. Die Kommentare und Register der Hamburger Ausgabe, darunter ein höchst nützliches Sachregister, wie es sonst nur die Weimarer bietet, wurden nicht digitalisiert.

Der junge Goethe

Ebenfalls Folio Views nutzt die CD-Rom Der junge Goethe in seiner Zeit. Texte und Kontexte. Sämtliche Werke, Briefe, Tagebücher und Schriften bis 1775, die 1998 unter der Herausgeberschaft von Karl Eibl, Fotis Jannidis und Marianne Willems bei Insel zusammen mit einer zweibändigen Buchausgabe erschien. Die Ausgabe ist durchgehend kommentiert, enthält sämtliche Werke des jungen Goethe einschließlich Labores juveniles, Briefen, Zeichnungen und späteren Überarbeitungen der frühen Werke, sowie eine Reihe von Schriften aus dem Umfeld, z. B. Hederichs Mythologisches Lexicon, Schriften der Gefährten, das Verzeichnis der Bibliothek von Goethes Vater und zeitgenössische Urteile, darüber hinaus ein Namensverzeichnis, Chronik, Bibliographie und Verzeichnis der Werktitel und Gedichtanfänge. Eine sorgfältig edierte Ausgabe. Auszüge aus Rezensionen.

Zeit. Leben. Werk

Schließlich ist die 1999 bei Metzler, im Aufbau-Verlag und bei Schroedel erschienene, von Jürgen von Esenwein und Harald Gerlach für die Stiftung Weimarer Klassik zusammengestellte CD-Rom Goethe. Zeit — Leben — Werk zu erwähnen. Sie enthält das dichterische und kunsttheoretische Werk nach der Berliner Ausgabe, daneben Eckermanns Gespräche, die dreibändige Briefauswahl des Aufbau-Verlages sowie eine Auswahl an Artikeln aus dem Goethe-Handbuch und eine Bibliographie. Die Rezensenten bemängeln neben der willkürlichen Werkauswahl vor allem die vom Windows-Standard abweichende Programmoberfläche mit fester Auflösung von 640 x 480 Pixeln. Rezension von Anne Bohnenkamp — Screenshot daraus. Dem Rezensenten stand die Ausgabe nicht zur Verfügung, die Angaben dazu wurden lediglich aus dem Internet zusammengestellt.

Fazit

Goethes Werk im Kontext erfüllt inzwischen den Wunsch nach einer wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Goethe-Ausgabe, die die erweiterten Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung nutzt. Für die Briefe, Tagebücher und Gespräche kann man auf die Digitale Bibliothek zurückgreifen. Damit hat man so gut wie alle Schriften Goethes, und das poetische Werk in einer ausgiebig kommentierten Form, zur Hand bzw. vor Augen. Die Online-Datenbank der Briefe an Goethe in Regestform (derzeit 1764-1817) und das inzwischen mit den Artikeln A-Ge online verfügbare Goethe-Wörterbuch ergänzen das Korpus. Unbefriedigend bleibt aber immer noch, daß ein Großteil des naturwissenschaftlichen Werkes fehlt. Ein zusätzlicher Zugang zur Weimarer Ausgabe würde das Ganze daher abrunden.

<http://www.isc.meiji.ac.jp/~mmandel/recherche/goethe-werk.html>
Kontakt, Impressum & Datenschutzerklärung